Selbstnutzer haben Probleme, an bezahlbares Bauland zu kommen.

RICHTIG. Immer mehr Geldanlage drängt in den Immobilienmarkt.  Private und institutionelle Investoren suchen  Anlagemöglichkeiten, weil die Zinsen niedrig sind. Siehe z.B.  "Die lukrativsten Städte für Wohnungskäufer" 4.12.20 im Focus.

Schon vor der Pandemie boomte der Immobiliensektor trotz des nachlassenden Wirtschaftswachstums und könnte dies trotz Corona voraussichtlich auch weiterhin, dank der wachsenden „Flucht" in sichere Geldanlagen. Die Empirica AG klagte schon im Herbst 2019: "Selbstnutzer kommen nicht mehr zum Zuge."

 

Mehr Baulandangebot stoppt den Preisanstieg

FALSCH. Mehr Bauland hat in den letzten Jahren NICHT für einen geringeren Preisanstieg gesorgt. Mit der hohen Nachfrage durch die Geldanlage kann das Angebot auch auf lange Sicht nicht mithalten. Die Preise bleiben weiterhin sehr hoch, prognostizieren Immobilienforschungsinstitute  (zB. DBResearch April 2020) und -Verbände (z.B.ZIA Frühjahrsgutachten 2020)

Kommunen, die Bauland ausweisen, können für Selbstnutzer heutzutage zuwenig erreichen.

 

Es werden zuwenig Baugenehmigungen erteilt.

FALSCH. Baugenehmigte Wohngebäude können nicht gebaut werden. In Bonn wurden baugenehmigt aber noch nicht gebaut: ca 1200 Wohngebäude mit insgesamt ca  5500 Wohnungen. (Quelle: Bonner Baustatistik 2019)

Bundesweit fehlt es auch nicht an Baugenehmigungen. Laut Statistisches Bundesamt ist die Zahl der Baugenehmigungen im Jahr 2019  um 4,0 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen und weiterhin deutlich höher als die Zahl der Baufertigstellungen. Dies führte zu einem Überhang von genehmigten, noch nicht gebauten Wohnungen von insgesamt 740 400 Wohnungen. Dieser Bauüberhang steigt seit 2008 immer weiter an und war 2019 höher denn je.

Wer verlangt trotzdem schnellere Baugenehmigungen? Beispielsweise der Immobilienverband ZIA in seinem Frühjahrsgutachten 2020. Ebenso die Industrie- und Handelskammer Bonn Rhein/Sieg im Dezember 2020

 

Es fehlt Kapazität der Bauwirtschaft.

RICHTIG. In Bonn fertiggestellt wurden im Jahr 2019 knapp 500 Wohngebäude mit ca 1400 Wohnungen.  Bereits baugenehmigt, aber nicht gebaut, waren weit mehr als das Doppelte: 1200 Wohngebäude  mit insgesamt ca  5500 Wohnungen (Bonner Baustatistik 2019).

Es fehlt weniger an Bauland oder Baugenehmigungen, sondern an Baukapazität.  "Die Welt" schrieb im Dezember 2019 "Deutschland steckt offiziell im Baustau".

Bundesweit ist die Zahl der neuen Wohnungen 2019 dennoch um 2% gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Auch wenn jedes Jahr mehr gebaut wird: Wie überall geht ein Großteil der Belegschaften in Rente und Nachwuchs fehlt. Laut DBResearch (S.6) verstärkt die Pandemie das Kapazitätsproblem.

Obwohl der Immobilienverband ZIA in seinem Frühjahrsgutachten 2020 erkannt hat, dass begrenzte Baukapazität ein Grundproblem ohne Lösung ist, verlangt er seit Jahren schnellere Baugenehmigungen, Deregulierung und mehr Bauland. Ebenso die Industrie- und Handelskammer Bonn Rhein/Sieg im Dezember 2020.

Müsste die äußerst knappe Ressource Baukapazität nicht gezielter eingesetzt werden? Das geht nicht? Solange bis es jemand macht, der/die "nicht wusste, daß das nicht geht".

 

Mehr Sozialwohnungen würden das Wohnen bezahlbar machen

Das klingt richtig, ist es aber nicht. Das Konzept Sozialwohnung wurde und wird durch die Privatisierungen weitgehend unwirksam gemacht.

Die Stadt Bonn hat vor ca 15 Jahren Tausende Wohnungen an Immobilienunternehmen verkauft. Allein die Sahle Wohnen hatte der Stadt fast 2500 Sozialwohnungen abgekauft, mit der Zusage, die Mieten nicht zu erhöhen, weil eine Finanzierung des Landes dies nicht zulasse. Viele der Mieter mussten dann doch wegen der teuren Sanierungen umziehen.

Inzwischen versucht man, diese Fehler zu korrigieren. Tatsächlich hätten etwa die Hälfte der Bundesbürger, auch in Bonn, Anspruch auf eine Sozialwohnung - weil der Wohnungsmarkt aus dem Ruder gelaufen ist. Eine völlig unrealistische Anzahl Sozialwohnungen würde benötigt, wenn man so argumentiert.

 Das Bonner Baulandmodell schreibt bisher bei Projekten mit mehr als 24 Wohnungen 20% Sozial- und 30% Förderwohnungen vor.  2020 wurde endlich einmal die künftig erzielbare Anzahl Sozialwohnungen in Bonn geschätzt (Stadt Bonn Dez. 2020). Im 10jährigen Mittel könne man mit 960 Neubauwohnungen jährlich insgesamt rechnen; davon wären knapp 500 bezahlbare Wohnungen pro Jahr. Ein Schritt in die richtige Richtung: Der neue Stadtrat will das Baulandmodell auf kleinere Projekte erweitern.

Aber die Sozialwohnungen bleiben nicht immer preiswert. Die Sozialbindung verfällt nach einiger Zeit, die Wohnung geht dann in den freien Markt und steht nicht mehr für Berechtigte zur Verfügung. Wieviele Bonner Wohnungen wann aus der Sozialbindung fallen, ist unbekannt; es könnten durchaus mehr sein als gebaut werden.

Für einen Tropfen auf den heißen Stein würde zuviel Bauland und zuviel Baukapazität eingesetzt: Nur die Hälfte (der Wohnungen oder auch der Wohnfläche?!) wäre preiswert, und auch nur befristet. Andere Konzepte -vor allem die Stadtentwicklungsgesellschaft- müssen dringend umgesetzt werden, um mehr Wohnungen in städtische Hand zu bringen und preisgünstig zu vermieten. Die Idee von Sozialwohnungen, die in ein gemischtes soziales Umfeld integriert sind, lässt sich auch durch bessere Nutzung der bereits versiegelten Flächen und des Leerstands verwirklichen. Das hat sich der neue Stadtrat zwar vorgenommen, und er müsste mit voller Kraft umsteuern, um Wohnen in Bonn bezahlbarer zu machen.

 

Die Bevölkerung altert, die Haushalte werden kleiner und ärmer.

RICHTIG. IT.NRW prognostiziert ein Bevölkerungswachstum in Bonn von 12% bis 2040, aufgeteilt auf ca 3% Geburtenüberschuss und 9% Zuzug. Ob sich der Zuzug angesichts hoher Wohnungspreise und mehr Home Office so fortsetzt wie bisher, wird von einigen bezweifelt.

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und in Königswinter genau wie generell im Rhein-Sieg-Kreis: Wachstum bei den SeniorInnen, Rückgang bei denen unter 65 Jahre.

Vor allem die Anzahl SeniorInnen wird erheblich weiter wachsen, soviel ist sicher. Sehr wahrscheinlich sinken die Renten. Wachsende Rentnerarmut und auch Armut von Kindern (vor allem alleinerziehender Eltern) sind bisher zu selten Thema für die Wohnungspolitik, weder in Bonn noch bundesweit. Meist befasst man sich mit jungen Familien, die Häuser bauen wollen und kein Bauland finden. Beispiele dafür gibt es, und auch die haben Probleme. Aber es gibt andere Lösungen, wenn sie nicht auf Neubau bestehen, siehe unten. Ein Recht auf Neubau gibt es nun mal nicht, schon gar nicht in einer bestimmten Kommune.

 

Generationswechsel steht an

RICHTIG. In vielen Siedlungen, die vor Jahrzehnten angelegt wurden, werden die BewohnerInnen älter, die Kinder sind längst ausgeflogen. Falls SeniorInnen sich kleiner setzen möchten, sind die Möglichkeiten sehr gering. Vor Ort gibt es  zu selten kleine Wohnungen. Ob eine Teilung in zwei Haushalte per Umbau möglich ist, dazu gibt es praktisch nirgends Beratung oder Kredite oder gar Förderung. Auch die Rechtslage für VermieterInnen im mit MieterInnen geteilten Haus ist wenig hilfreich.

Die Empirica AG hat für den Rhein-Sieg-Kreis errechnet (S.130): Wenn nur 10% der SeniorInnen sich kleiner setzen könnten, wären 200 Hektar Bauland gespart.

 

SeniorInnen brauchen Barrierefreiheit und Pflegeheime

ÜBERWIEGEND FALSCH. Die meisten brauchen zwar barrierearme, aber nicht barrierefreie Wohnungen, fand das der Bauwirtschaft nahestehende Pestel-Institut heraus. Barrierearm ist erheblich preisgünstiger zu bauen als barrierefrei. Die Investition in barrierearme Wohnungen würde sich bereits lohnen, wenn eine stationäre Pflege dadurch nur um zwei Jahre hinausgezögert würde. Zur Pestel-Studie 65+

 

Kleine Wohnungen sind am meisten gefragt

Laut Immobilienscout24 hat die bundesweit meistgesuchte Wohnung 66 qm. Man würde sicherlich oft gern größer wohnen, aber leisten kann man es sich nicht.

 

Es wird weiterhin zu groß gebaut

In Bonn ist die Durchschnittsgröße im Bestand 83 qm. 2019 in Bonn fertiggestellte Einfamilienhäuser haben durchschnittlich 160 qm. Neue Mehrfamilienhäuser bieten 80qm je Wohnung (Bonner Baustatistik 2019). Viel zu groß, wenn die durchschnittlich nachgefragte Wohnung nur 66qm hat!

Priorität auf kleine Wohnungen - das würde die Bezahlbarkeit verbessern.

 

Gibt es keinen Umbau von zu großen Wohnungen?

DOCH! In Bonn gab es 2019 ca 230 Umbauten an Wohngebäuden, mit einem Zuwachs von 113 Wohnungen. Sie sind im Durchschnitt kleiner als der Neubau, nämlich 69 qm (Bonner Baustatistik 2019). Umbau vor Neubau, das würde viel Fläche sparen und die Bezahlbarkeit von Wohnungen verbessern.

 

Die Wachstumsprognosen sind zu hoch

WAHRSCHEINLICH. Den ungedeckten Wohnungsbedarf hat die Statistikbehörde IT.NRW aufgrund des in der Vergangenheit erzielten Wachstums geschätzt.

In Deutschland wächst die Bevölkerung insgesamt seit Jahren kaum noch; es geht um Wanderung aus Gebieten mit schlechter Infrastruktur in die Städte, die aber extrem teuer geworden sind.  Wie sich der Zuzug in dieser Situation entwickeln wird, ist mit mehr als den üblichen Unsicherheiten verbunden.

Eines ist sicher: es wird künftig noch viel mehr SeniorInnen geben – die Generation Babyboomer der 1960er Jahre geht bald in Rente. Mit voraussichtlich geringeren Renten wird ihr Wohnbedarf voraussichtlich ortsnah, preisgünstig und klein sein. Wenn prioritär dafür gesorgt würde, könnten ihre bestehenden Einfamilienhäuser frei und von jungen Familien neu genutzt werden, anstatt Einfamilienhäuser mit viel Ressourcenverbrauch neu zu bauen.

 

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