Stand: 18.August 2023

Vorab das Wichtigste

Riesen-Siedlungen im Naturpark Siebengebirge würden nicht nur hochwertige Böden versiegeln, Natur und Klima schädigen und Landschaft und Naherholung verschwinden lassen. Auch der PKW-Verkehr würde erheblich zunehmen.

Kaum realistisch erscheinen viele der Maßnahmen, die ein von der Stadt Königswinter beauftragte Verkehrsgutachterliche Einschätzung zur Vorbeugung eines Verkehrskollaps fordert. Entscheidend sei es, möglichst keine Pendler anzusiedeln – womit die geplanten Siedlungen nicht für Pendler nach Bonn in Frage kommen würden.

Die logische Konsequenz ist, auf die Riesen-Siedlungen zu verzichten. Den Vorgaben der Regionalplanbehörde entsprechen sie ohnehin nicht. 

 

Wäre die B56n (Südtangente/Ennertaufstieg) eine Lösung?

NEIN. Wer sagt das? Die zitierte Verkehrsgutachterliche Einschätzung. Die Bergorte, inbesondere Königswinter-Ittenbach, würden zwar entlastet, aber die Bonner Pendlerziele würden trotzdem nicht mehr erreichbar sein. "Mit der Südtangente schneller in den Stau", so hat unser Verein den Nutzen von Südtangente und auch Ennertaufstieg seit seiner Gründung 2001 auf den Punkt gebracht. Die Königswinterer verkehrsgutachterliche Einschätzung steht dabei im Einklang mit den 12 früheren Südtangenten-Gutachten seit den 1970er Jahren. Sie haben dazu beigetragen, dass diese vierspurige Bundesstraße bis heute nicht gebaut und auch nicht geplant wurde. Sie steht zwar mit Planungsrecht im geltenden Bundesverkehrswegeplan, ist aber aus klimatischen und politischen Gründen vom Tisch. Danke an alle, die Ennertaufstieg und Südtangente jahrzehntelang erfolgreich abgewehrt haben.

 

Warum droht mehr PKW-Verkehr?

In Vinxel und Stieldorf leben weit überwiegend PendlerInnen. Es gibt es keine Schienenanbindung. Busse fahren werktags tagsüber nur halbstündlich. Die Fahrradinfrastruktur beschränkt sich auf wenige Radwegabschnitte. Für 70 Prozent aller Wege werden PKWs genutzt.

 

Wo genau gäbe es wieviel mehr PKW-Verkehr?

Die Verkehrsgutachterliche Einschätzung warnt davor, dass im Fall einer Umsetzung der Siedlungsbereiche in Königswinterer Bergorten die Pendlerziele in Bonn und Siegburg nicht erreichbar sein würden und weist auf die Überlastungen im Bonner Stadtgebiet schon jetzt hin.

Vor einer hohen Verkehrsbelastung wird in Beuel für Pützchens Chaussee, die B 56, die Königswinterer Straße und für den Landgrabenweg gewarnt (S.20), allerdings fehlen Zahlen.

Die verfügbaren Prognosen auf ausgewählten Beueler Ortsdurchfahrten haben wir in der folgenden Übersicht zusammengestellt (Quelle: S. 15 sowie Kartenmaterial des Gutachtens S. 32-35)

 Tabelle Ortsdurchfahrten

 

Ist die ISEK-Verkehrsgutachterliche Einschätzung von 2018/19 noch für den Regionalplan relevant?

JA.

Das Verkehrsgutachten, welches 2018/19 im Rahmen der Integrierten Stadtentwicklung Königswinter (ISEK)  erstellt wurde, warnt vor massiven Verkehrsproblemen. Nur mit den unten aufgeführten „notwendigen Maßnahmen“ sei diesen zu begegnen. Umsetzbar sind diese kaum – siehe Tabelle.

Wichtig zu wissen: Die Flächen möglicher Siedlungsgebiete sind seit Erstellung des Gutachtens noch gewachsen. Waren es zum Zeitpunkt der ISEK-Bürgerbeteiligung 27 Hektar, dann beim Verkehrsgutachten 29 Hektar, wurden dann nach Streichung einer und Hinzufügung zweier neuer Flächen 32 Hektar im Regionalplanentwurf beibehalten. Damit sind die Ergebnisse des Verkehrsgutachtens umso relevanter!

Bisher gibt es keine Einschätzungen aus der Politik, dass das ISEK-Verkehrsgutachten nicht relevant sei.

Welches wären die Verkehrsprobleme? Und welches die geforderten Gegenmaßnahmen?

 

„Durch die Riesen-Siedlungen wären Bonn und Siegburg zu Stoßzeiten nicht erreichbar.“

GENAU.

Werden die Potenzialflächen in Vinxel und Stieldorf bebaut, so sind Bonn und Siegburg zu den Stoßzeiten nicht erreichbar, so das Verkehrsgutachten.

In Bonn waren einige Strecken bereits 2018 kontinuierlich überlastet (Verkehrsgutachten S.22). Daher muss zusätzlicher PKW-Verkehr nach Bonn unbedingt vermieden werden.

Der Verkehrskollaps droht in den Ortsdurchfahrten von Niederholtorf, Holzlar, Vinxel und Stieldorf, teilweise können in historischen Ortskernen Straßen nur einspurig passiert werden.

Betroffen wären auch Pützchens Chaussee, Königswinterer Straße und Landgrabenweg (S. 20).

Neu hinzugezogene Pendler*Innen hätten wenig von ihrem Wohnort, sie kämen kaum zur Arbeit. Was dann auch die bereits vorhandene Bevölkerung betrifft – als Pendler*Innen und als Anwohner*Innen der überfüllten Straßen.

 

Falls in Vinxel und Stieldorf Neusiedlungen gebaut würden, wären eine Reihe von Maßnahmen notwendig.

RICHTIG.

Wir haben die Maßnahmen, die das Gutachten als notwendig auflistet (S.29, S.30) tabellarisch zusammengestellt. In der Tabelle sind zwei Maßnahmen nicht aufgeführt, weil sie Buslinien betreffen, die nicht Stieldorf oder Vinxel bedienen. Zu den übrigen 15 Maßnahmen haben wir den aktuellen Stand recherchiert und kommentiert. Die Rechercheergebnisse wurden durch die Beantwortung einer Einwohnerfrage im Rat der Stadt Königswinter in der Sache bestätigt.

 Massnahmen Verkehrsgutachten tabelle

Quelle: Verkehrsgutachterliche Einschätzung für die Stadt Königswinter (2019) S.28-31; Bewertung des LRBS

 

"Homeoffice reduziert den PKW-Verkehr."

LEIDER NICHT UNBEDINGT.

Mehr Homeoffice heißt nicht zwangsläufig weniger Verkehr, so lautet das Fazit einer neuen Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung vom April 2023. Ein Zusammenhang zwischen Digitalisierung und weniger Fahrerei sei seit dem Ende der Pandemie nicht länger nachweisbar.

Die ISEK-Verkehrsgutachterliche Einschätzung fordert die Ansiedlung von Akteuren mit großem Homeoffice-Anteil (S.30). Es wurde kurz vor der Pandemie erstellt und konnte das nicht wissen: Heute kann erwartbarer PKW-Verkehr aus infrastrukturschwachen neuen Siedlungen nicht mehr mit Homeoffice wegargumentiert werden.

 

Notwendige Verkehrsmaßnahmen sind wohl kaum machbar

Während die Königswinterer Stadtverwaltung für die Bebauung der Siedlungsgebiete schon eine Zeitvorstellung vorliegt (siehe Faktencheck Umfang der Riesen-Siedlungen), befasst sie sich mit den geforderten Maßnahmen des Verkehrsgutachtens so gut wie nicht. Bustaktungen erheblich verdichten, eine Fahrradinfrastruktur etablieren, und vor allem den PKW-Verkehr nicht weiter steigern, wären heute schon wichtig fürs Klima.

  • Beim ÖPNV in Stieldorf und Vinxel sind die drei Buslinien in den letzten Jahren samt Haltestellen leicht verbessert worden. Aber die vom Verkehrsgutachten geforderten Takte für die drei Linien sind bisher nicht eingeplant und auf längere Sicht wohl nicht machbar. Die Priorität für 15- oder 10-min-Takte liegt auf anderen, wesentlich größeren Stadtteilen von Königswinter.

Im Übrigen hat die Verkehrsgutachterliche Einschätzung die derzeitigen Takte bei zwei der drei Linien dichter angegeben als sie 2018 waren und 2023 immer noch sind (siehe Tabelle). Dadurch verdoppelt sich der Bedarf an Verdichtung und entsprechender Finanzierung und macht die Realisierung umso schwieriger.  

  • Den Fahrradverkehr will Königswinter für seine Klimawende bis 2035 entwickeln. Ein Radweg zwischen Stieldorf und Hoholz und eine Fahrradabstellanlage in Stieldorf stehen zwar schon in einer städtischen Aufgabenliste, aber ohne Zeitplan und ohne Budget.

 

Ist weitgehender Verzicht auf PKW-Stellplätze Voraussetzung für die Neusiedlungen?

JA.

Die -Verkehrsgutachterliche Einschätzung fordert dies als eine der 15 Maßnahmen (S.28).

Es gilt laut Königswinterer Stellplatzsatzung (2022): 2 PKW-Plätze je Einfamilienhaus; Mehrfamilienhaus: 1 bis 2 PKW-Stellplätze pro Wohnung.

Das ISEK-Gutachten setzt dagegen für die Neusiedlungen als notwendig voraus, auf PKW-Stellplätze weitgehend zu verzichten (Baugenehmigungen umstellen S.28; Siedlungen mit Restriktionssatzungen für PKW, S.30).

Aber wer will oder kann verhindern, dass man dennoch Autos hat und fährt?

Wenig deutet darauf hin, dass Siedlungswachstum mit geringem oder Nullwachstum beim PKW-Verkehr in der Siebengebirgsregion funktionieren könnte.

 

„Die Maßnahmen der Siedlungssteuerung sind die Entscheidenden“

RICHTIG.

Dies steht im Verkehrsgutachten auf Seite 30. Gemeint sind die Maßnahmen 11 bis 15 in der Tabelle (vgl. Verkehrsgutachten S.30):

  • Siedlungen mit Restriktionssatzungen für Pkw-Stellplätze (sinnvoll vor allem für Vinxel und Stieldorf, aber auch für die Rheinschiene)
  • Ansiedlungsvorteile für Siedlungswillige mit wenigen Pkw (rechtlich komplex)
  • Ansiedlungsanreize für Mitarbeiter lokaler Unternehmen im Zusammenhang mit Mobilitätskonzepten
  • Ansiedlung freier Berufe Ansiedlung von Akteuren mit großem Home-Office-Anteil (Förderung durch digitale Infrastrukturangebote)

Mit Ausnahme des ausgezeichneten Internetangebots in Vinxel ist nichts von diesen entscheidenden Ansiedlungsmaßnahmen für Nicht- oder Wenig-Pendler*innen bisher in Ratsgremien erörtert oder gar in die Tat umgesetzt worden.

 

„Nur im Worst Case wären eine Reihe von Maßnahmen erforderlich“

FALSCH.

Laut ISEK-Gutachten muss bei Neusiedlungen zusätzlicher PKW-Verkehr IN JEDEM FALL verhindert werden, nicht erst im "Worst Case", falls der gesamte ISEK-Flächenumfang besiedelt würde.

Die Worst Case-Betrachtung bedeutet nicht, dass alles prima ist, wenn man nach der vorletzten Potenzialfläche aufhört zu besiedeln und nur auf die letzte Fläche verzichtet, erst dann käme ja der Worst Case.

Worst Case Betrachtung bedeutet, dass die Verkehrszahlen für den Fall berechnet sind, dass alle Potenzialflächen bebaut werden. Das Gutachten weist ausdrücklich mehrfach daraufhin (S. 22 , S. 23), dass in Bonn die Straßen zu wichtigen Pendlerzielen schon jetzt (2018) überlastet sind.

 

Warum die Maßnahmen nicht nur für den Worst Case gelten können:

Wenn die „entscheidenden Maßnahmen der Siedlungssteuerung“ (S.30), nämlich die Ansiedlung freier Berufe, Akteure mit großem Homeoffice-Anteil und Siedlungswillige mit wenigen PKW erst im Worst Case gelten würden, müsste man mit der Bebauung der letzten Potenzialfläche die Bewohner*innen aller Siedlungen, wenn sie pendeln, dann austauschen!?

Ohnehin ist wegen der schon jetzt hohen Auslastung der Straßen hin zu den Pendlerzielen entscheidend, möglichst wenig Pendler*innen anzusiedeln (S. 23 und S.30). Dass dieses Ziel erst mit dem Worst Case gelten sollte, wäre nicht sachgerecht.

Auch die Veränderung der Wahl der Verkehrsmittel mit einer „deutlich reduzierten PKW-Menge“ (S.28) ist nicht erst mit der Bebauung der letzten Potenzialfläche anzustreben. Denn zum Beispiel können Baugenehmigungen nicht nachträglich abgeändert werden, damit der weitgehende Verzicht auf PKW-Stellplätze realisiert werden kann.

Die geforderten Maßnahmen müssten schon bei einer Bebauung der ersten Potenzialfläche einsetzen. Dass viele der Maßnahmen kaum realisierbar sind, kommt erschwerend hinzu.

Vor dem Hintergrund der Verkehrswende, die seit der Publikation des ISEK-Gutachtens 2018/19 ein politisches Ziel geworden ist, wäre eine solche Interpretation des Gutachtens darüber hinaus völlig aus der Zeit gefallen.

Damit ist die Interpretation seitens des Bürgermeisters der Stadt Königswinter, das Gutachten brauche als Worst Case-Betrachtung keine Beachtung finden, eine Fehleinschätzung.

 

Die Stadtverwaltung plant bereits den Worst Case als Möglichkeit.

JA.

Der Worst Case, der schlimmste Fall, ist darüber hinaus als Option sogar schon vorgesehen: Sämtliche im Regionalplanentwurf verbliebenen Flächen, insgesamt 32 Hektar, könnte Königswinter besiedeln und hat genau dafür schon einen Zeitplan (schlüsselfertig bis 2041) für die nötigen Kitas und Schulen entworfen.

Mehr dazu im Faktencheck zum Umfang der Riesen-Siedlungen.

 

Kurze Zusammenfassung der Verkehrsgutachterlichen Einschätzung mit Seitenzahlen

Das Gutachten betont,

  • dass die Verkehrsbelastung zu den Bonner Pendlerzielen bereits jetzt zu hoch ist (S.22) und diese dann nicht erreichbar wären (S.28; S.30-31)
  • dass eine mögliche B56n (Südtangente) daran nichts ändern würde (S.17-18, S.28);
  • dass im Fall jeglicher weiterer Bebauung (natürlich nicht nur im „Worst Case“) ein Anstieg des PKW-Verkehrs vermieden werden muss – dazu hat es eine Liste notwendiger Maßnahmen erstellt (S. 28-31);
  • dass unter diesen Maßnahmen die Entscheidende die Vermeidung der Ansiedlung von Pendlern sei (S.31).

 

 

 

 

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