Januar 2024 Mitteilung der Stadtverwaltung
"Gemäß Ratsbeschluss vom 19.09.2023 (DS-Nr. 231112) wurde die Verwaltung beauftragt, für den Fall, dass die bisherige Vorhabenträgerin und Eigentümerin des Grundstücks kein Interesse an der Fortführung des Verfahrens hat zu sondieren, ob „die VEBOWAG […] die Grundstücke von der Vorhabenträgerin“ erwerben möchte. Die Verwaltung hat die Eigentümerin über diesen Ratsbeschluss informiert.
Die Eigentümerin hat am 17.11.2023 die Stadt angeschrieben und mitgeteilt, dass sie vor dem Hintergrund der neu formulierten städtebaulichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Flächen nicht mehr als Vorhabenträgerin zur Verfügung stehe. Zugleich hat sie der Stadt die Grundstücksflächen zum Kauf angeboten und um ein indikatives Angebot gebeten.
Diese Veräußerungsabsicht wurde der VEBOWAG weitergeleitet mit der Bitte, bis Ende Februar 2024 mitzuteilen, ob sie an einem Erwerb der Flächen und deren Entwicklung interessiert ist. Über die Antwort wird die Verwaltung berichten."
Wie fing es an?
Gebaut wurde 1985 mit 50% Landesmitteln ein schlossartiges Gebäudeensemble im römischen Landhausstil.
Am 13.11.2013 hat die Landwirtschaftskammer, wegen Umzugs Ende 2015 nach Münster, einen Antrag auf Umnutzung des Gebäudes in Bonn-Roleber gestellt. Die bebaute Fläche (4,7 Hektar) ist sog. Sondergebiet "Institutsgebiet der Landwirtschaftskammer" und soll in Wohnnutzung geändert werden. Das geht aus der Beschlussvorlage 141160 hervor, die die Bezirksvertretung Beuel, der Planungsausschuß und der Stadtrat im Mai 2014 zu entscheiden hatten. Wörtlich steht darin:
"Die Planung sieht vor, dass die vorhandenen Hauptgebäude in der jetzigen Kubatur unverändert erhalten bleiben. Aufgrund der wohnbaulichen Nutzung sollen den Gebäuden lediglich Balkone vorgestellt werden. Insgesamt sollen etwa 100 Wohnungen in unterschiedlichen Größen für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen angeboten werden.
Des Weiteren sollen im Bereich der heutigen Kantine, den Gewächshäusern und den eingeschossigen Nebengebäuden nordöstlich, südwestlich und südöstlich des schlossartigen Gebäudeensembles ergänzende zweigeschossige Wohnbebauung mit max. 30 Wohneinheiten entstehen.
Die Erschließung wird über die bestehende Zuwegung von der Siebengebirgsstraße erfolgen und die bestehenden Stellplätze werden ebenfalls, wie bisher als notwendige Stellplätze erhalten bleiben."
Beschlossen wurde die Einleitung des Planverfahrens für das bezeichnete Gebiet und außerdem, die Verwaltung solle zusammen mit der Landwirtschaftskammer einen Käufer oder Nachmieter für die jetzigen Bestandsbauten suchen.
Klima und Wohnen müssen abgewogen werden
Richtig. Allerdings: Weil Bonn insgesamt nur noch sehr wenig Kaltluft hat, spielt die Kaltluft-Entstehung beim Abwägen gegenüber dem Wohnbedarf eine umso größere Rolle. Der Wohnbedarf kann ins Umland ausweichen, die Agrarflächen für Kaltluft sind in Bonn unersetzlich.
Wohnen im Stadtgebiet reduziert den Verkehr
Nicht richtig. Wohnen an guten ÖPNV-Anbindungen reduziert den Verkehr. Das ist in den Beueler Höhenorten nicht gegeben, wohl aber in umliegenden Kommunen, wo an Schienenhaltepunkten Neusiedlungen geplant werden, so wie es der neue Regionalplan anstrebt.
Die Seilbahn kommt in die Beueler Höhenorte
Die Seilbahn ist noch nicht einmal im ersten Abschnitt in trockenen Tüchern und kann keine Grundlage für neue Siedlungsbereiche sein.
Und die Südtangente?
Die Südtangente ist nicht vom Tisch, auch wenn sie derzeit nicht aktiv geplant wird. Sie hat weiterhin die Unterstützung von CDU, FDP und BBB, denn sie sagen auch aktuell NICHT NEIN zu Ennertaufstieg/Südtangente.
Müssen die Agrarflächen in Roleber aus Klimagründen unbebaut bleiben?
Wahrscheinlich. Die Klimawandel-Vorsorgestrategie des Verbands Region Köln/Bonn e.V. weist in Roleber regional wirksame Kaltluft-Leitbahnen aus. In der Regel werden Leitbahnen aufgrund der VDI-Standards (VDI 3787 Blatt 5) nicht bebaut. Sie wurde im Januar 2020 veröffentlicht.
Mithilfe der dort angewendeten Methode werden regional wirksame Faktoren erkannt, wie die Kaltluft-Leitbahn in Roleber. Bei der detaillierteren Analyse des Bonner Klimaschutz-Projektes ZURES fehlt die regionale Perspektive, die die Klimavorsorgestrategie mit ihrer weniger hohen Auflösung erzielt hat. ZURES kann die regional wirksame Kaltluft-Leitbahn mit seiner Methode nicht sehen.
Es ist nicht eine Methode besser als die andere, sondern sie blicken auf unterschiedliche Faktoren. Beide Erkenntnisse schliessen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich und müssen zusammen betrachtet werden.
Als der Bonner Stadtrat am 4.7.19 den Beginn des Bebauungsplanverfahrens beschloss, waren die Daten der Klimavorsorgestrategie noch nict publiziert. Dem Stadtrat lag nur die "Klimatologische Ersteinschätzung" des Bonner Klimaschutzprojektes ZURES vor.
Kartengrundlage: Region Köln/Bonn e.V. (2020): Klimawandelvorsorgestrategie für die Region Köln/Bonn, www.klimawandelvorsorge.de Download 6.2 Regional wirksame Luftleitbahnen und Kaltluft-Einzugsgebiete (PDF), eigene Bearbeitung
Roleber wäre nicht allein: Der Bonner Stadtrat hat 2019 auf ein Baugebiet in Ückesdorf wegen Kaltluft-Leitbahnen verzichtet.
Kalte Luft wird immer wichtiger: Bisher werden Einzugsgebiete von nächtlicher Kaltluft in der Regel (VDI-Standards) nicht vor Bebauung geschützt, sondern nur Kaltluft-Leitbahnen.
Klimaexperten sind sich aber einig: Ohne die Entstehung von Kaltluft macht eine Kaltluft-Leitbahn wenig Sinn.
Wer würde die immensen Kosten für die äußere Kanalerschliessung zahlen?
Das Baugebiet in Roleber würde extrem teuer, denn die äußere Abwasser-Erschliessung erfordert erheblichen Ausbau. Niederschläge und Schmutzwasser des Roleberer Planungsgebietes würden in den Kanal an der Holzlarer Hauptstraße abfließen. "Aufgrund der Auslastung der vorhandenen Kanäle" besteht „erhöhter Finanzierungsbedarf für den Ausbau“, schrieb das Bonner Tiefbauamt für die DSK-Studie Roleber, die 2016 im Auftrag der Stadtverwaltung durchgeführt wurde. Das Tiefbauamt bezieht sich nur auf Niederschlagswasser; das Schmutzwasser würde aber ebenfalls durch den ausgelasteten Kanal fliessen müssen.
Quelle: Deutsche Stadt- und Grundstückentwicklungsgesellschaft (DSK) 2016: Vorbereitende Untersuchungen für einen möglichen Entwicklungsbereich Roleber, S. 77-78
Die Kosten können anhand von anderen Kanalkosten geschätzt werden. Aktuelle Kanalkosten hat die Stadtverwaltung in Pressemitteilungen angegeben:
• 1,2 Mio € für 300 m in Holtorf (fast 4.000 € pro Meter)
• 4,3 Mio € für 500 m im Musikerviertel (8.600 € pro Meter)
• 12 Mio € für ca 1 Kilometer in Mehlem (12.000 € pro Meter).
Der Holzlarer Kanal ist ca 2 Kilometer lang und teilweise sehr steil – ein Teil der Straße zwischen Roleber und Holzlar ist als „Hölle von Roleber“ bekannt. Der Ausbau des Holzlarer Kanals und die ebenfalls notwendigen Rückhaltebecken dürften mindestens 20 Millionen € kosten.
Der Kanal wurde im übrigen 2021 repariert.
Die DSK-Studie warnt entsprechend, es sei mit "einem erhebliches Rückhaltevolumen bei Niederschlagswasser zu rechnen, was einen erhöhten Finanzierungsbedarf für den Ausbau einer entsprechenden Entwässerung mit sich bringt" (S.77)
Der Holzlarer See kann auch nach seinem aktuell anstehenden Ausbau kein Schmutzwasser und nur begrenzt Niederschlagswasser aufnehmen. An die Probleme mit Niederschlagswasser in Roleber erinnert das oberirdische, vor dem LWK-Gebäude angelegte offene Rückhaltebecken und die Überschwemmungen in Holzlar in den 1960er Jahren.
Unbezahlbares Wohnen: 20 Millionen Euro für die äußere Erschließung eines Baugebietes – das will Sahle Wohnen nicht bezahlen. Wirtschaftlich wäre dieses Baugebiet wohl nicht, selbst wenn alle Roleberer Agrarflächen bebaut würden.
Die Holzlarer Anwohner müssen nun eine Beteiligung an den erheblichen Kosten befürchten.
Anfragen von Bürgern beantworteten die Stadtverwaltung und die CDU-Fraktion ausweichend. Sie gingen auf die Kosten der äußeren Erschließung und den Kostenträger gar nicht ein. Das Planungsamt allerdings informierte den Ausschuss für Bürgerbeteiligung am 28.5.19 mündlich, dass der Investor zu zahlen habe. Dies wurde jedoch nicht protokolliert und den anfragenden Bürgern nicht schriftlich bestätigt. Der Investor, Sahle Wohnen, stritt die Notwendigkeit des Kanalausbaues ab.
Was steht in der Planungsvereinbarung mit der Sahle Wohnen GmbH zum Thema äußere Erschliessung?
Der Bericht der Stadtverwaltung an den Stadtrat vom 26.3.2018 (Drucksache 1810873) über die Planungsvereinbarung mit der Sahle Wohnen GmbH gibt in diesem Punkt Anlass zur Sorge. Die Planungsvereinbarung selbst ist nicht öffentlich zugänglich. Auf der dritten Seite des Berichtes in der rechten Spalte zum Inhalt der Planungsvereinbarung steht unten, dass ein Erschließungsvertrag vorgesehen ist. Dieser soll
„eine Vereinbarung zur Kostenregelung in Bezug auf die äußere Anbindung des Plangebiets im Fall einer Erweiterung auf Teilfläche 2 und 3)…“
enthalten.
Sahle Wohnen zahlt nicht die äußere Erschliessung im Fall der Bebauung der Teilfläche 1!?
Laut Maßgabe des Stadtrates, die in der linken Spalte zitiert wird, ist die äußere Erschließung durch den Vorhabenträger durchzuführen und zu zahlen. In einer Situation, in der nicht eindeutig geklärt ist, ob die vorhandene äußere Kanalerschließung für die Bebauung der Teilfläche 1 ausreichen würde (siehe Punkt 4), muss der Vorhabenträger - aktuell der Immobilienkonzern Sahle Wohnen GmbH - zur Zahlung der äußeren Erschließung der Teilfläche 1 (Bebautes Gelände sowie sog. Kragen) herangezogen werden können, unabhängig davon ob der Fall der Erweiterung auf die Flächen 2 und 3 vorliegt. Zumal die Fraktionen der neuen Ratskoalition erklärtermaßen die Flächen 2 und 3 keinesfalls bebauen wollen.
Die Klausel könnte, wenn nur Teilfläche 1 bebaut würde, der Maßgabe des Stadtrates zuwiderlaufen, selbst wenn sie von der Verwaltung anders gemeint gewesen sein sollte.
Die Misere der Investorenverträge des früheren OB Sridharan will die neue Ratskoalition nicht wiederholen. Sie sollte deshalb Inhalt und Bedeutung der Planungsvereinbarung mit Sahle Wohnen GmbH genau analysieren, BEVOR sie weitere Schritte in Erwägung zieht.
Der Bericht der Stadtverwaltung (Drucksache 1810873) über die Planungsvereinbarung genügt nicht, um große finanzielle Schäden für die Stadt auszuschließen.
In Roleber können Sozialwohnungen geschaffen werden
Ja genau - die Stadt hätte nur ihr Vorkaufsrecht nutzen müssen. Die Gebäude und Flächen der Landwirtschaftskammer NRW gehörten sowieso der öffentlichen Hand. Gebäude und Nebengebäude (auf 4,7 Hektar Fläche) hätten allesamt in bezahlbaren Wohnraum umgebaut werden können.
Und wenn der neue Eigentümer Sahle Wohnen Neubauten plant? Die bereits bebaute Fläche von 4,7 Hektar zählt als Altfall. Bei Ersatzbauten für LWK- und Nebengebäude braucht Sahle Wohnen keine Sozialwohnungen nach dem Baulandmodell bereitzustellen. Sozialwohnungen sind nur für die Fläche des Kragens (3,9 Hektar) zwingend erforderlich.
Der von Sahle Wohnen zu bezahlende Kindergarten soll für die Gesamtfläche (8,6 Hektar) berechnet werden. Ob es dabei bleibt ist offen.
"Das Kammergebäude kann nicht als Wohnraum umgebaut werden"
Falsch. Ein erfolgreiches Bonner Wohnprojekt hat durch seinen Architekten die Umbaumöglichkeit - natürlich auch wirtschaftlich- bestätigen lassen und wollte daher das attraktive Gebäude kaufen.
Wer hat behauptet, dass der Abriss notwendig sei? Sahle Wohnen wird im Bonner Generalanzeiger am 21.4.2019 zitiert:
Nach intensiven Untersuchungen und der Aufstellung einer Wirtschaftlichkeitsberechnung ist die Firma Sahle zu der Überzeugung gelangt, „dass sich durch Umbau innerhalb des Bürogebäudekomplexes keine funktionalen Wohnungen errichten lassen“. Obwohl das Gebäude architektonisch ansprechend und in der Bausub-stanz nicht schadhaft sei, „sehen wir einen Abriss für unabdingbar an.“ Dieses Vorgehen ermöglicht nach Ansicht des Investors den erforderlichen Freiraum für eine gute städtebauliche Konfiguration. Außerdem will Sahle den sogenannten „Kragen“ - die Flächen zwischen dem Kammergrundstück (Baufeld 1) und dem Reitgestüt Gut Ettenhausen - gleichzeitig beplanen und bebauen.
Aber Vorsicht: Ein Umbau wäre unwirtschaftlich, nicht unmöglich. Damit lässt sich Sahle Wohnen Verhandlungsspielräume offen. Unwirtschaftlich ist allerdings die nötige Erweiterung des Holzlarer Kanals. Egal was Sahle Wohnen plant, es muss VOR der Baurechterteilung geklärt werden, wer die Kanalerweiterung bezahlt.
Das Kammergebäude kann als Büroraum weiter genutzt werden
Natürlich. Nur: Sahle Wohnen hat dafür keine Kompetenz.
Will Sahle Wohnen denn die Kosten für die Erweiterung des Holzlarer Kanals übernehmen?
Nein, laut Sahle Wohnen entstehen keine Kosten für den Ausbau des Holzlarer Kanals.
Sahle Wohnen zog Bonn schon früher über den Tisch
Sahle Wohnen haben die Bonner in schlechter Erinnerung, denn das Unternehmen hatte der Stadt fast 2500 Sozialwohnungen mit dem Versprechen abgekauft, die Mieten nicht zu erhöhen, weil eine Finanzierung des Landes dies nicht zulasse. Viele der Mieter mussten dann doch wegen der teuren Sanierungen umziehen. Der Mieterbund hatte den Verkauf von Sozialwohnungen generell und speziell an Sahle Wohnen mit Hinweis auf die schlechten Erfahrungen in Troisdorf und Siegburg abgelehnt.
Kann der Bebauungsplan auch nach dem Architektenwettbewerb abgelehnt werden?
Ja. Sahle Wohnen bezahlt den Wettbewerb auf eigenes Risiko. Der Stadtrat hat sich bisher (September 2020) zu nichts verpflichtet.