Juni 2019: Und noch ein Gutachten!
VSU Gutachten im Auftrag der Stadt Königswinter: Im Rahmen des "Integrierten Stadtentwicklungskonzepts (ISEK) wurde eine "verkehrsgutachterliche Ersteinschätzung (ergänzt um B56n) dem Planungsausschuss der Stadt Königswinter zu seiner Sitzung am 29.5.2019 vorgelegt.
Es geht davon aus, daß bis 2030 in Königswinter alle Potenzialgebiete mit 10.000 zusätzlichen Einwohnern und 580 neuen Arbeitsplätzen realisiert werden.
Szenario V1 „Entwicklung 2030 ohne B56n“ schätzt den Verkehrszuwachs 2030 durch den Bevölkerungszuwachs ohne B65n, Szenario V2 mit B56n, obwohl in 2030 die B56n laut Bundesverkehrswegeplan ggf. höchstens fertig geplant sein kann.
Ergebnis:
"Aus verkehrstechnischer Sicht des Gutachters ist die im Rahmen des ISEK diskutierte Ausweisung von Bauflächen unter den heutigen verkehrlichen Gegebenheiten zwar möglich, es müssten aber folgende Nachteile in Kauf genommen werden:
- Für die Pendler aus Königswinter wird die Erreichbarkeit der Bonner und Siegburger Ziele in den täglichen Spitzenstunden nicht gewährleistet sein bzw. mit erheblichen Stauerscheinungen verknüpft sein. Auf der Strecke liegen hoch ausgelastete, bzw. überlastete Strecken und Kno-tenpunkte, allerdings weitgehend außerhalb von Königswinter. Diese Einschätzung ändert sich auch nicht durch die Realisierung der B 56n (Szenario V2 siehe unten).
- In einigen Ortsdurchfahrten, insbesondere in Vinxel, Stieldorf, Ittenbach und Dollendorf, aber auch Niederholtorf und Holzlar, werden deutliche Verkehrsmengensteigerungen zu höheren Belastungen von Anwohnern und Beschäftigten führen.
- Die höheren Verkehrsmengen in den Ortsdurchfahrten und andernorts werden kurz- und mittelfristig zu allgemein höheren Umweltbelastungen führen (Stickoxid, Kohlendioxid, Lärm) und dauerhaft mindestens zu höheren Unfallrisiken führen.
Für Königswinter wird daher aus verkehrstechnischer Sicht empfohlen, den bis 2030 erwarteten zusätzlichen Wohnraum nach Möglichkeit vorrangig im Talbereich entlang der bestehenden Schienenverkehrsstrecken zu realisieren. Hier könnten die Vorteile des Umweltverbundes (Radverkehr, Bus und Schiene) insbesondere durch höhere Wohnungs- und Baudichten realisiert werden. Die Siedlungsentwicklung im Bergbereich sollte dagegen vorrangig in den vorhandenen Siedlungsker-nen und nur in Kombination mit
- einer auf den Radverkehr und den ÖPNV fokussierten Mobilitätsstrategie,
- einer Verbesserung der Versorgung sowie
- mit Maßnahmen und Anreizen zur Ansiedlung von Betrieben und Personen, die geringe Pendlerbewegungen auslösen (Homeoffice, freie Berufe, Mobilitätskonzepte) verfolgt werden.
Szenario V2 „Entwicklung bis 2030 mit B56n“
Im Ergebnis würden im Szenario V2 der südliche Teil des Stadtgebietes, insbesondere die L331 und die B42 deutlich vom (Durchgangs)Verkehr entlastet. In geringem Umfang würden auch die L 268 und die Königswinterer Straße im Bereich des Anschlusses an die A3 entlastet. Im nördlichen Teil von Königswinter würde sich insbesondere in Stieldorf der Verkehr anders verteilen und durch den Zubringer zur B56n am stärksten durch Mehrverkehr betroffen werden.
Außerhalb von Königswinter würden vor allem die Löwenburgstraße und die Oberkasseler Straße sowie in geringerem Umfang die Pützchens Chaussee entlastet. In Bonn und Sankt Augustin könnten einige Ortslagen durch eine Reduzierung der Verkehrsbelastung der Ortsdurchfahrten Vorteile erfahren. Dies werden voraussichtlich die entlang der Trasse der geplanten B56n liegenden Ortsteile Hoholz, Birlinghoven und Niederholtorf sein. Deutliche Vorteile würden sich auf der B56 alt im rechtsrheinischen Teil ergeben, weil ein Teil des Ziel- und Durchgangsverkehrs über die B56 n geführt würde, was zu einer Verbesserung der Zuführung zur BAB 59 in Beuel führt.
Die Erreichbarkeit der Ziele in Bonn wird in V2 gegenüber V1 allerdings nicht verbessert, denn die Verlagerungen führen vor allem zu einer Mehrbelastung der Südbrücke. Diese Mehrbelastung führt nach Aussage des Gutachters offensichtlich zu einer weitreichenden Verkehrsverdrängung, welche sich im ganzen linksrheinischen Teil von Bonn bemerkbar macht. Die bekannten Leistungsengpässe des Hauptstraßensystems werden im Szenario V2 verstärkt, so dass die Stauwahrscheinlichkeit auf Bonner Stadtgebiet erheblich zunimmt. Die Arbeitsplatzschwerpunkte im linksrheinischen Bereich können also deutlich schlechter aus dem rechtsrheinischen Bereich erreicht werden."
Soweit die Ergebnisse des VSU-Gutachtens. Nun einige Kommentare:
Kurz gefasst: Wenn in Königswinter gebaut werden soll, dann besser im Talbereich. Radverkehr und ÖPNV müssten erheblich verbessert werden (aber das bringt nicht genug, sagen die Befürworter der Südtangente). Die B56n würde den Verkehr in Königswinter und an den Bonner Zubringern zum Ennertaufstieg anders verteilen (Ittenbach weniger, Holtorf weniger, Stieldorf mehr, Hoholz/Roleber mehr). "In Bonn würden die Arbeitsplätze wegen wachsender Staus nicht mehr erreichbar sein." So heisst es in dem Gutachten, das den Ennertaufstieg betrachtet und den falschen Schluss erlaubt, daß mit dem Venusbergtunnel dieses Problem gelöst würde. Man muss sich erinnern: Laut Bundesverkehrswegeplan gäbe es auf der Nordbrücke täglich 5.000 LKW zusätzlich, auf der Südbrücke gäbe es 13.000 Kfz zusätzlich. Mit den Riesen-Baugebieten kämen auf der Südbrücke weitere 5.700 Kfz hinzu. Nicht zu vergessen: Auf der A3 kämen aufgrund der Südtangente viele Tausend Kfz hinzu, darunter auch die 5.000 LKW, die den Ennertaufstieg und die A59 durch Beuel bis zur Nordbrücke nutzen würden.
Die Verkehrszahlen für einzelne Strassen finden Sie auf den letzten Seiten des Gutachtens. Sie sind schwer zu erkennen, mit unterschiedlichen Dezimalstellen verschlüsselt, ohne Bezeichnung der Straßen. Ausserdem wird keine Gesamtzahl der Kfz/Tag gezeigt, sondern die Differenz, wenn es Riesenbaugebiete und Südtangente gäbe oder nicht gäbe. Fehler im Beispiel Stieldorf sind deshalb nicht ausgeschlossen, aber die Tendenz stimmt:
Zum Beispiel in Stieldorf an der Ecke Grundschule/Spielplatz/Kath. Kirche/Eisdiele würde 2030, wenn es keine Riesen-Baugebiete gäbe, täglich ca 4.700 Kfz durchfahren. Wenn die Riesen-Baugebiete realisiert würden, wären es täglich 2.300 zusätzlich, also 7.000 Kfz (S.14). Wenn die Südtangente gebaut würde, kämen ohne Riesen-Baugebiete 6.000 Kfz hinzu, denn die L83 würde auf die Auffahrt am Heiderhof (Fussballgolf) führen. Mit Riesen-Baugebieten würden es 11.000 Kfz täglich. Also statt 4.700 Kfz würden es 2030 mit Riesen-Baugebieten und Südtangente an dieser für Stieldorf entscheidenden Ecke 11.000 Kfz sein (S.16).
Die Aussage auf dem Banner der Ittenbacher Initiative Verkehrsentlastung Siebengebirge: "Ja zur Südtangene - Lebenswertes Siebengebirge auch für Stieldorf" ist also irreführend, denn soviel zusätzlicher Verkehr macht das Zentrum von Stieldorf weniger lebenswert. Das müsste die Initiative aus dem verkehrsreichen Ittenbach eigentlich wissen. Sie hatte es am Zaun eines öffentlichen Gebäudes, der Grundschule, befestigt. Da das illegal ist, wurde es behördlich entfernt.
Mit der Südtangente käme man schneller in den Stau, mit den Riesen-Baugebieten noch schneller.
Die Umweltaspekte betrachtet das Gutachten nicht. Der Bundesverkehrswegeplan hatte die B56n in die höchste Stufe der Umweltbelastung eingeordnet.
Download des VSU Gutachtens
Bisherige Gutachten:
Bevor 2003 die Südtangente und der Ennertaufstieg aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen wurden, gab es zahlreiche Gutachten. Mindestens ein Gutachten, das gegen die Südtangente argumentierte, verschwand jahrelang. Mindestens ein anderes, das jüngste, wurde kurz vor der Veröffentlichung noch geschönt. Beide empfahlen nicht die große Lösung Südtangente, sondern viele kleine Maßnahmen, damit, oft über eine Kombination von Verkehrsmitteln, auch die ÖPNV-Nutzung verbessert wird..
Was das alles gekostet hat, hat noch niemand ausgerechnet!
Gutachten Prof. Grebe 1993
Der damalige Landrat des Rhein/Sieg-Kreises Frithjof Kühn hatte beim renommierten Planungsbüro Prof. Reinhard Grebe ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse liess Kühn verschwinden, weil sie ihm nicht passten. Das Gutachten hatte die Südtangente, und insbesondere den Ennertaufstieg abgelehnt. 1996 kam dies durch eine Indiskretion ans Licht. Die Region könnte heute viel weiter sein, wenn Ex-Landrat Kühn den Empfehlungen von Prof. Grebe 1993 gefolgt wäre.
Das Gutachten von 2011
2011 wurde ein weiteres Gutachten zur "Mobilitätsentwicklung in Bonn und dem südlichen Rhein-Sieg-Kreis" erstellt, OHNE dass die Südtangente im Bundesverkehrswegeplan war. Der Verein Lebenswerte Siebengebirgsregion hat es damals ausgewertet:
"Ideologen kann man nicht überzeugen. So kam es zum ETC/PTV-Gutachten vom 8. August 2011. Ganz im Sinne der Auftraggeber spricht es sich zunächst für den Ennertaufstieg mit Anschlussstelle an die A 3 bei Birlinghoven aus (vier Fahrstreifen, 36.000 KFZ täglich), zweifelt aber an der Umsetzbarkeit der Empfehlung: "Vor dem Hintergrund der geringen Chancen zur Priorisierung der Vorzugsvariante in der Bundesverkehrswegefinanzierung werden erneut kostengünstigere `kleinere Maßnahmen` in das Blickfeld der Entscheidungsträger rücken". Es fordert: "Die Kombination von `kleinen Maßnahmen` zu sogenannten `Push-Pull-Effekten` (Anreize zur Veränderung der Wege- und Verkehrsmittelwahl) sollte von den Entscheidungsträgern forciert werden." Dies ist die eigentliche Empfehlung. Sie ist deckungsgleich mit den Grebe-Vorschlägen aus 1993, der UVS 2002 und der Position unseres Vereins.
Die Lärm- und Immissionsfolgen für die an der "empfohlenen" Trasse lebenden Menschen und die schadstoffrelevanten Folgen der Belüftung des Ennerttunnels für das Naturschutzgebiet werden im ETC-Gutachten nicht vertieft. Es versteht sich aber von selbst, die negative Umweltbilanz der Ennerttrasse 2002 mit 24.000 Fahrzeugen täglich fällt bei einer Trasse für 36.000 Fahrzeuge deutlich negativer aus."
Übrigens wurde der entscheidende Satz "Vor dem Hintergrund der geringen Chancen zur Priorisierung der Vorzugsvariante in der Bundesverkehrswegefinanzierung werden erneut kostengünstigere `kleinere Maßnahmen` in das Blickfeld der Entscheidungsträger rücken" in der Endfassung der Mobilitätsstudie wieder aus dem Gutachten gestrichen. Lesen Sie dazu die Pressemitteilung des Vereins Lebenswerte Siebengebirgsregion vom 17. August 2011.
Allein dieses Gutachten hat 258.000 € gekostet. Noch mehr Prüfungen und Gutachten, wie sie durch die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan 2015 kämen, wären eine weitere Verschleuderung von Steuermitteln!
Zur lehrreichen Geschichte der Südtangente
Gutachten / Studien:
2015 Bundesverkehrswegeplan (Link zum Ergebnis)